Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten treten in Deutschland – in unterschiedlichen Formen und Ausprägungsgraden – statistisch gesehen bei etwa jedem 500. Neugeborenen auf; sie gehören mit einem Anteil von 15 Prozent zu den häufigsten Fehlbildungen. Ihre Ursachen sind bis heute nicht genau geklärt, aber es scheinen viele Faktoren eine Rolle zu spielen. Sicher ist, dass bei etwa jedem 5. betroffenen Kind eine familiäre Belastung besteht, die auch einige Generationen zurückliegen kann.
Bei Eltern, die selbst betroffen waren, beträgt das statistische Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer Spaltbildung 4-5 Prozent; etwa das gleiche gilt für gesunde Eltern, die bereits ein Spaltkind geboren haben. Wenn bereits das erstgeborene Kind ein Spaltkind ist, steigt das statistische Risiko für weitere Kinder mit dieser Fehlbildung auf 13-14 Prozent. Einige Mütter fragen sich, ob sie sich während der Schwangerschaft vielleicht falsch verhalten haben, aber diese Schuldgefühle sind vollkommen unbegründet! Inwieweit eine erbliche Vorbelastung besteht und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass weitere Kinder ebenfalls eine Spaltbildung aufweisen könnten, lässt sich an einer genetischen Beratungsstelle genauer klären; hier werden auch seltene Kombinationen mit anderen Fehlbildungen analysiert. Während des Wachstums des Kindes im Uterus kommt es zwischen der 5. und 9. Woche entweder zu einer fehlenden Vereinigung oder einem Einreißen von Gewebe, aus dem sich später Nase, Lippe und Oberkiefer entwickelt. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Entwicklungsstörung auftritt und wie schwerwiegend sie ist, entstehen verschiedene Spaltformen (ein- oder beidseitige Lippenspalten, Lippen-Kiefer-Spalten, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten bzw. vollständige Gaumenspalten und isolierte Spalten des weichen Gaumens) mit unterschiedlichem Ausprägungsgrad.
Obwohl durch die kieferchirurgischen Operationen die Grundlagen für den Erfolg der Behandlung gelegt werden, sind auch Vertreter anderer medizinischer Fachgebiete maßgeblich an der Betreuung Ihres Kindes beteiligt, nämlich der Kieferorthopäde, der Kinder- und HNO-Arzt, der Logopäde und der Zahnarzt. Da viele Behandlungsschritte ineinander greifen und sich das Aussehen Ihres Kindes aufgrund des Wachstums ständig verändert, kann das endgültige Ergebnis genau genommen erst nach der Pubertät beurteilt werden.
Für viele Eltern ist es schwer verständlich, warum bestimmte Operationen erst später und andere bereits relativ früh erfolgen oder warum nicht alle Abschnitte einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in einer einzigen, möglichst frühen Operation verschlossen werden können. Der Grund dafür liegt darin, dass zu früh vorgenommene Operationen an bestimmten Abschnitten der Spalte, besonders am harten Gaumen, zu Wachstumsstörungen führen können, während zu späte Operationen, z.B. am weichen Gaumen, mit einer verzögerten oder fehlerhaften Sprachentwicklung verbunden sind. Aus jahrzehntelangen Erfahrungen in der Spaltchirurgie sind heute die besten Operationszeitpunkte für jeden Abschnitt der Spalte bekannt, wobei es aber trotzdem noch von Klinik zu Klinik Unterschiede geben kann. Die meisten großen Kliniken in Deutschland operieren heute jedoch nicht nur nach einem sehr ähnlichen Zeitplan, sondern auch mit den gleichen, bewährten Techniken. Dies gilt ebenfalls für die begleitende Behandlung durch die anderen medizinischen Fachdisziplinen, die während bestimmter Entwicklungsphasen Ihres Kindes große Bedeutung hat.
Der erste Behandlungsschritt besteht meistens in der Anfertigung der bereits erwähnten Gaumenplatte, die dem Kind in den ersten Lebenstagen eingesetzt wird. Sie erleichtert Ihrem Baby nicht nur das Trinken, sondern mit ihr kann durch gezieltes Ausschleifen an der Unterfläche der Platte bereits eine Ausformung des Zahnbogens oder eine Verschmälerung der Spalte erreicht werden. Wenn bei Ihrem Kind der harte Gaumen keine Spalte aufweist, also lediglich eine Lippen-Kiefer- oder eine isolierte Spalte des weichen Gaumens vorliegt, ist eine solche Plattenbehandlung nicht notwendig.
Ergänzt wird unser Angebot durch die nicht-chirurgische Vorbehandlung durch die Technik des Nasoalveolären Moldings während der ersten Lebensmonate vor dem geplanten operativen Lippenverschluss.
Abb.:
linksseitige komplette Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vor und nach primärer Lippenplastik und gleichzeitigem Weichgaumenverschluss
Abb.:
linksseitige isolierte inkomplette Lippenspalte vor und nach primärer Lippenplastik